16. Workshop Digital Broadcasting: 5G, DAB+ und KI im Digitalen Rundfunk
Rund 80 Expertinnen und Experten aus Industrie, Rundfunk und Forschung trafen sich am 23. und 24. September 2020 zum Workshop Digital Broadcasting WSDB, um sich über aktuelle Herausforderungen, Entwicklungen und Projekte rund um den Digitalen Rundfunk auszutauschen. Bedingt durch die aktuelle Corona-Situation, wurde die Veranstaltung dieses Jahr online durchgeführt, statt wie üblich im Erfurter KinderMedienZentrum.
Auch für das diesjährige digitale Format konnte wieder Prof. Ulrich Reimers von der TU Braunschweig als Keynote-Speaker gewonnen werden. Er eröffnete den 16. Workshop Digital Broadcasting mit einem Vortrag zum Thema »Medien-Distribution der Zukunft – 5G und DVB-I?«.
Mediendistribution der Zukunft
Bereits der Titel lässt erahnen, dass es für den Rundfunk Herausforderungen in Bezug auf künftige Distributionswege gibt. Die Mobilfunktechnologien werden zukünftig in der Lage sein, alle wesentlichen technischen Anforderungen zu erfüllen, die an moderne Distributionsnetze gestellt werden. Ob es langfristig noch eigene Sendernetze der Rundfunkanbieter geben wird, ist fraglich. Prof. Reimers thematisierte die Möglichkeiten und den aktuellen Stand von 5G und LTE für die künftige Mediendistribution und zeigte die Ergebnisse aktueller Feldversuche. Aus seiner Sicht gehört die Zukunft der Mobilfunknetze nicht allein 5G, sondern eher einer Kombination aus 4G und 5G, wobei für Medienanwendungen 5G Broadcast eine wichtige Rolle spielen wird. Außerdem stellte er den Standard DVB-I als Service-Layer vor und erklärte, wie Breitband-Internetzugänge auch für den Rundfunk besser genutzt werden können. Wie gewohnt, zeigte er sehr anschaulich auf, wie Technologien aus den Bereichen Rundfunk und Mobilfunk für die Mediendistribution der Zukunft eingesetzt und sinnvoll miteinander kombiniert werden können.
Dass die für die Branche so wichtige Netzwerkveranstaltung nicht, wie viele andere Events, ausfallen musste, freute Reimers besonders: »Ich bin froh, dass es den Organisatoren auch im Corona-Jahr 2020 möglich war, den schon geradezu traditionellen Workshop WSDB zu veranstalten und ein facettenreiches Vortragsprogramm zusammen zu stellen«.
Große Teilnahme-Resonanz zum digitalen Fachevent
Insgesamt erreichten das Programmkomitee über 30 Facheinreichungen. Für das Team unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Alexander Raake (TU Ilmenau) war es daher keine leichte Aufgabe, ein Programm aus 14 Fachbeiträgen zu den Themenschwerpunkten »Digitale Netze, Dienste und Plattformen« und »KI im Medienbereich« für die zweitägige Veranstaltung zusammenzuzustellen. »Dass wir in diesem Jahr so viele spannende Einreichungen erhalten haben, freut uns natürlich sehr«, so Raake. »Das zeigt mir, dass der WSDB mittlerweile eine Institution im Bereich Digitaler Rundfunk ist«. Und auch die hohe Anzahl von Teilnehmenden (rund 80 Personen) aus Deutschland und Österreich bestätigt die Relevanz des Formats und der Inhalte.«
Digitale Netze, Dienste und Plattformen
Der erste Themenschwerpunkt widmete sich Digitalen Netzen, Diensten und Plattformen. Das Thema Digitalradio DAB+ spielte auch beim diesjährigen Workshop eine wichtige Rolle. DAB+ ist mittlerweile mit 25 Prozent Höreranteil im deutschen Markt fest etabliert. Dass hierbei auch Regionalprogramme zunehmend erfolgreich in die DAB+ Multiplexe, einschließlich ihrer Regionalfenster, eingebunden werden können, wurde in einem Beitrag eindrucksvoll dargestellt. Im Rahmen des Projekts wurden die erforderlichen Werkzeuge entwickelt, um die Multiplexe zur Regionalisierung direkt aus dem Funkhaus heraus zeitgenau zu den Regionalaussendungen konfigurieren zu können. Die zunehmende Bedeutung von DAB+ wurde auch zum Tag der Warnung am 10. September 2020 deutlich. In Sachsen-Anhalt läuft hierzu ein EWF (Emergency Warning Functionality) Projekt über DAB+. Darüber hinaus wurden an diesem Tag auch auf dem bundesweiten DAB+ Multiplex über die Programme des Deutschlandradios EWF-Warnungen verbreitet. Ein weiterer Praxisbericht zeigte, wie moderne Techniken bei der Digitalisierung des Rundfunknetzbetriebs helfen können.
Auch die Virtualisierung und Verlagerung von Produktionsprozessen in die Cloud war ein Schwerpunkt des diesjährigen WSDB. Die Entwicklungen im Bereich von Clouddiensten, 5G-Netzen, besseren Breitbandanbindungen auch in heimischen Haushalten, sowie leistungsfähiger Konferenzsysteme ermöglichen vollkommen neue Arbeitsformen. Es gab u.a. Beiträge zu Simulationen und Messungen zur Flächenversorgung von 5G Broadcast sowie zur Nutzung von 5G und Virtualisierung in der Rundfunkproduktion. Werner Bleisteiner vom BR berichtete auf sehr unterhaltsame Weise, wie im Frühjahr 2020 die Pandemie die gewohnten Abläufe in der Rundfunkproduktion auf radikale Weise auf den Kopf stellte – und die Produktion dennoch funktionierte.
KI im Medienbereich
Der zweite Themenschwerpunkt widmete sich dem Einsatz von KI und maschinellem Lernen im Medienbereich. Das allgegenwärtige Thema KI ist geprägt von nahezu grenzenlosen Erwartungen und teilweise großem Misstrauen. Hanna Lukashevich vom Fraunhofer IDMT führte mit ihrem Tutorial »KI im Medienbereich – Chancen, Risiken und Nebenwirkungen« in die Thematik ein. Nach einigen grundlegenden Bemerkungen zum aktuellen Hype-Thema »Künstliche Intelligenz« erläuterte sie unter dem Motto »KI ist keine Zauberei«, wie maschinelles Lernen – ein wichtiger Bestandteil von KI – grundsätzlich funktioniert und angewendet werden kann. Sie legte dar, warum KI-Lösungen nicht immer die hohen, an sie gestellten, Erwartungen vollständig erfüllen können und wie eine erfolgreiche Einführung dennoch gelingen kann. Besonders wichtig sei hierbei das anwendungsspezifische Training von KI-Modellen. Sie schloss ihr Tutorial mit dem Fazit: Jeder Anwendungsfall ist einzigartig und muss gründlich analysiert werden, um eine passende Lösung entwickeln zu können.
Mehrere Beiträge präsentierten anhand von Projekten interessante Beispiele für die Einführung und Anwendung dieser neuen Technologien und thematisierten auch die dabei auftretenden Herausforderungen. So wurde die Entwicklung der ARD/Fraunhofer Mining-Plattform sowie deren praktischer Einsatz beim WDR aus zwei Perspektiven dargestellt. Am Beispiel des Projekts »AI4MediaData« wurde vorgestellt, wie Machine Learning und Natural Language Processing den Medienproduktionsprozess an verschiedenen Stellen unterstützen können.
Außerdem wurden aktuelle Arbeiten zum Thema Audio-Forensik-Verfahren für Content-Verifizierung aus einem laufenden Forschungsprojekt mit der Deutschen Welle präsentiert. Anhand dieser Projektvorstellungen wurde deutlich, wie Forschungseinrichtungen und Rundfunkanstalten bei der Einführung neuer Technologien erfolgreich zusammenarbeiten können.
In einem Industriebeitrag wurde das Thema Metadaten-Anreicherung für Cognitive Media Services beleuchtet und weitere Beispiele für den Einsatz von KI gegeben. Ein Beitrag zur automatischen Topic Detection und Trendanalyse im Broadcast Newsroom zeigte anschaulich, wie klassische Datenanalyse und maschinelles Lernen bei der Produktion von Nachrichtensendungen helfen können. Weitere Beiträge beschäftigten sich mit der Video-Qualität: Zum einen wurde vorgestellt, wie maschinelles Lernen dabei helfen kann, den Encoding-Prozess für Videos zu optimieren. Zum anderen wurde anhand einer Crowdsourcing Messkampagne untersucht, wie die Videoqualität das Nutzungsverhalten beeinflusst.
Kooperation von Forschungseinrichtungen, Technologieanbietern und Rundfunkanstalten
In beiden Themenblöcken wurde deutlich, dass Vieles im Bereich Digitaler Rundfunk und Medien im Umbruch ist. Neue Konzepte und Technologien – oft aus branchenfremdem Bereichen – halten mit viel Schwung Einzug. Insbesondere aktuelle Entwicklungen aus dem Mobilfunk eröffnen völlig neue Möglichkeiten für die Mediendistribution, aber auch für die Rundfunkproduktion.
Das in allen Branchen sehr aktuelle Thema »KI« ist auch im Medienbereich so präsent wie nie. Das spiegelte sich in vielen der Fachbeiträge des diesjährigen WSDB wieder. Der Begriff »Künstliche Intelligenz« wird inzwischen inflationär und manchmal auch falsch verwendet. Neben viel Begeisterung für die neuen Möglichkeiten zeigte sich, dass auch modernste Technologien teilweise mühsam in Systeme und Abläufe integriert und insbesondere an die Anwendungsfälle angepasst werden müssen.
Die gezeigten Beispiele machten deutlich, dass die vielfältigen Herausforderungen bei der Einführung neuer, teilweise disruptiver Technologien besonders gut gemeistert werden können, wenn Forschungseinrichtungen, Technologieanbieter und Rundfunkanstalten von Anfang an eng zusammenarbeiten und somit die realen Anforderungen direkt in die Entwicklung der Lösungen einfließen können.
»Wir freuen uns, dass der WSDB 2020 trotz der besonderen Umstände auf so große Resonanz gestoßen ist«, erklärt Dr. Uwe Kühhirt, Leiter der Abteilung Metadaten des Fraunhofer IDMT und einer der Organisatoren des WSDB 2020. »Der nächste WSDB soll aber nach Möglichkeit wieder, wie gewohnt, in Erfurt stattfinden, denn wir haben das Netzwerken und den persönlichen Austausch mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern vor Ort in diesem Jahr sehr vermisst.«